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Kirche: Baugeschichte

8/1928

Der Wettbewerb

Die Kirche Am Hohenzollernplatz sollte "ein Kunstwerk für alle Zeiten" werden, so formulierte es der damalige Superintendent Diestel. Er stellte sich eine Kombination von Kirche mit Wohnungen und Ladenpassagen vor, die man vermieten ggf. verkaufen könnte, eine aus heutiger Sicht sehr vorausschauende Überlegung.

Stadtrat Grüder selbst arbeitete mehrere Studien und Vorentwürfe für die Bebauung des freien Grundstücks am Hohenzollernplatz aus, wobei die Kirche in der Regel in der Nassauischen Straße oder aber in der Nikolsburger Straße zu stehen kam. Der Grundstücksteil zum Platz hin sollte von einem  Wohn- und Geschäftshaus eingenommen werden.

Beauftragt wurde zunächst Otto Bartning – ein Mitglied des "schlimmen Rings" –, der zwei Vorentwürfe anfertigte. Die Ausschreibung eines Wettbewerbs wurde im  April 1927 vom Gemeindekirchenrat (GKR) beschlossen. Eine "einfache, würdige" Baugruppe sollte entworfen werden, in der die Kirche ca. 1.000 Menschen Sitzplätze, z. T. auf Emporen, bieten würde, dazu Gemeindehaus mit unterschiedlichen Sälen und Pfarrerhaus. Neben Bartning wurden als Architekten Helmuth Grisebach, Hans Rottmayer, Otto Kuhlmann und Leo Lottermoser gebeten.

Als Preisrichter fungierten Stadtbaurat a. D. Ludwig Hoffmann, Geheimer Oberbaurat Kickton, Stadt- und Oberbaurat Grüder, Pfarrer Frommel und Ing. Kirstein als Kirchenältester. Das Preiskollegium wollte "keinen der eingereichten Entwürfe zur weiteren Bearbeitung und Ausführung empfehlen". Schließlich forderte man Rottmayer und Grisebach zur Überarbeitung ihrer Entwürfe auf, nach Einspruch sollte auch Kuhlmann seine Vorstellungen präzisieren.

Am 14. März 1928 sah sich das Preisgericht außerstande einen Beschluss zu fassen. Um das Vorhaben aber anzugehen, wurden die bearbeiteten Entwürfe dem Bezirksamt zugeleitetet … Dort wurde zur besseren Planung ein Modell des Hohenzollernplatzes mit seiner Bebauung angefertigt, um mit Einsatzmodellen die Baupläne auf ihren Raumeindruck zu prüfen.

Als Ergebnis dieser Überlegungen trug Baustadtrat Grüder am 26. Juni 1928 im Gemeindekirchenrat Grundzüge für die Gestaltung des Hohenzollernplatzes samt Kirche vor. Danach heißt es im Protokoll: "Der im Haus anwesende Architekt Höger wird unter allseitiger Zustimmung hereingerufen. Er zeigt in Lichtbildern eine Anzahl der von ihm bisher geschaffenen – insgesamt 1060 – Bauwerke und erläutert dann seine künstlerischen und baulichen Grundsätze und Bestrebungen. Er erläutert ferner in Lichtbildern und Worten seine Pläne für die Nordkirche. Nachdem Herr Höger sich wieder entfernt  hatte, setzt der GKR seine Beratung fort. … Ein Modell und eine fertige Zeichnung des Hoeger’schen Entwurfs werden besichtigt. Der Kirchmeister gibt bekannt, dass der Hoeger’sche Entwurf von Herrn Hoeger gemeinsam mit dem ObR Grüder ausgeführt würde. Der GKR beschließt: 1) Der Bau der Nordkirche soll nach dem Hoeger’schen Entwurf erfolgen … Es wird festgestellt, dass die heute abwesenden Herrn Lang, Schettler, Kaiser sich bereits für den Hoeger’schen Entwurf erklärt haben."[1]

Eine so brisante und rasante Entscheidung muss m. E. schon länger vorbereitet und hinter den Kulissen vorbesprochen worden sein, denn dass der Architekt Höger so einfach zufällig im Haus anwesend war und plötzlich mit Lichtbildern in der Sitzung erschien, und bereits Pläne für die neue Nordkirche vorlegen konnte, ist als spontane Aktion wohl undenkbar. Als Hinweis auf eine intensive Vorbereitung kann man auch verstehen, dass die im Protokollbuch ausdrücklich zustimmenden aber nicht anwesenden Herren sich bereits für den Högerschen Entwurf ausgesprochen hatten.

Perspektivische Ansicht, Höger 1929

Natürlich hat die Art der Vergabe des Auftrags unter den damaligen Architekten eine große Irritation und heiße Diskussionen in den Fachzeitschriften hervorgerufen. Für den ausgeschriebenen Architektenwettbewerb zum Bau einer Kirche am Hohenzollernplatz bewahrheitete sich, was Bruno Taut  bereits 1924 kritisch anmerkte: "Für architektonische Aufgaben hat ein Wettbewerb nur dann Sinn, wenn der Ausschreibende (Einzelperson oder Behörde) absolut nicht weiß, wie eine bestimmte Aufgabe anzufassen ist. Wenn man dagegen … weiß, welche Richtung man einzuschlagen hat, dann ist der Wettbewerb sinnlos; denn man wird dann nur solche Arbeiten prämiieren, welche durch Zufall oder durch nähere Kenntnis eben diese Richtung einschlagen. In solchen Fällen sollte eine Konferenz des betreffenden Bauherrn mit den sonst als Preisrichtern Ausgewählten genügen, um den oder die Architekten für die Bearbeitung auszuwählen … Psychologische Ursachen leiten sowohl Teilnehmer wie Preisrichter …" (GKR-Protokoll vom 26.6.1928)

Dass der Kirchbau sehr umstritten war, belegt u. a. ein Artikel in der Zeitung "Der Westen". Da konnte man am 30. Mai 1929 unter der Überschrift "Stilexperimente an Sakralbauten" lesen: Am Hohenzollernplatz in Wilmersdorf soll bekanntlich eine neue evangelische Kirche gebaut werden. Vorläufig ist die Angelegenheit allerdings noch nicht spruchreif, und es ist möglich, daß der preisgekrönte Entwurf des Architekten Fritz Höger nicht oder in abgewandelter Form zur Ausführung kommt. Das vorliegende Modell dürfte auch kaum dem allgemeinen Geschmack der Kirchenbesucher entsprechen, und die Kirche ist nun einmal für die Besucher da, nicht umgekehrt … Auch im vorliegenden Fall erweist es sich, daß das unter dem Gesichtspunkt neuer Sachlichkeit entworfene Modell sehr auf äußere Wirkung abzielt … Die gläubige Inbrunst, mit der die gotischen Dome … zum Himmel streben, fehlt in diesem Modell vollständig. Der "sachliche" Turm ist so ausdruckslos wie möglich, ist eine lange Latte, die steif und kalt wirkt… Der Name des Architekten Fritz Höger ist durch den gelungenen Bau des Hamburger Chile-Hauses bekannt geworden. Die Tatsache, dass er gute Industriehäuser bauen kann, Objekte also, die für den sachlichen Baustil prädestiniert sind, ist aber für die Beurteilung seiner Eignung zum Erbauen von Kirchen ganz unerheblich… Wenn die Kirchenbehörde sich nicht einig werden kann, so sollte sie eben auf alte bewährte Rezepte zurückgreifen …"[2]

Jedenfalls folgte man diesem Ansinnen nicht und: Fritz Höger baute "seine" Kirche Am Hohenzollernplatz. Das Protokollbuch des Gemeindekirchenrats spiegelt aus jener Zeit einiges wieder, was uns heute eher unverständlich anmutet. So verlangte der GKR, dass die in manchen Entwürfen als Rundbögen gezeichneten Betonbinder geändert werden müssten, um eine zu große Nähe zur Industriearchitektur zu vermeiden.

"Der Älteste Ingenieur Kirstein berichtet über den Stand der kirchlichen Bauten am Hohenzollernplatz und schildert im Anschluß daran die Bemühungen der Baukommission dahingehend, dass nur evangelische Firmen und solche Arbeiter beim Bau beschäftigt werden, die der evangelischen Kirche angehören, und welche Schwierigkeiten diesen Bemühungen in einigen Fällen deshalb begegnen, weil die Gesetzgebung es unmöglich macht, gegen die Geschlossenheit der Arbeiterorganisationen anzugehen." (Protokollbuch 30.6.1931)

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[1] zit. n. Berlin Wilmersdorf: Die Jahre 1920 bis 1945, S. 172

[2] Bruno Taut, Durchgefallen!, in: Der neue Bau, Jg. 6, Heft 22, 1924; zit. n. Berlin

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