Bauverein der Kirche am Hohenzollernplatz - Startseite

Kirche: Baugeschichte

Fritz Höger

Der Architekt

Johann Friedrich, genannt Fritz, Höger wurde am 12. Juni 1877 in Bekenreihe (nahe Elmshorn) geboren. Nach dem Schulabschluss erlernte er das Zimmerer- und Maurerhandwerk, in dem er mit 19 Jahren die Gesellenprüfung bestand. Danach besuchte er (1897–99) die Baugewerbeschule in Hamburg. Im Anschluss daran war er als Zeichner im Architekturbüro tätig, übernahm neben seiner zeichnerischen Arbeit erste freiberufliche Aufträge und machte sich 1907 ohne Studienabschluss selbständig.

Ab 1910 gehörte Höger zu den Anhängern der "Heimatschutzbewegung". Diese hatte das Anliegen, die regionalen Besonderheiten in Deutschland zu bewahren, deutsche Produkte zu verbessern und international konkurrenzfähig zu machen. Dabei gab es eine Nähe zum "Werkbund", einer Interessengemeinschaft von Künstlern und Fabrikanten. Allerdings waren diese lockeren Gruppierungen inhaltlich kaum auf einen Nenner zu bringen. Höger gehörte in diesem Spektrum wohl eher zur konservativ-nationalistischen Gruppe, die eine moralische Stärkung des Volkes durch den Rückgriff auf ein ideologisch geprägtes "Germanentum" erreichen wollte.

Wie auch immer, 1911 und 1913 entstanden zwei beeindruckende Bauwerke Högers, mit denen er sein Können zeigte, das Rappolt- und das Klöpperhaus in Hamburg. Sie wiesen ihn als einen interessanten, Alt mit Neu verbindenden Architekten, der seinen eigenen Weg gefunden hatte. 1920 erschien das Buch "Das Wesen des neuzeitlichen Backsteinbaus" von Fritz Schumacher, dem Hamburger Oberbaudirektor, mit dem Höger sich in der Sache sehr verbunden fühlte. In Backstein und Klinker sahen beide "Bodenständigkeit" des deutschen Volkes abgebildet, denn diese Materialien sind für Norddeutschland typisch. "Die Kontinuität der gotischen Tradition mit der romantisch-vaterländischen Formensprache Norddeutschlands, ihrem Expressionismus, dem Bemühen um eine stark im regionalen Umfeld verwurzelte Architektur, der Begeisterung für die Handwerkskunst, und zwar in einer Zeit, die fasziniert war vom technischen Fortschritt, die Spiegelungen der Theorien konservativer Autoren im Wohnungsbau, Zivilisationskritik und tiefe Abneigung gegen alles Intellektualistische – all dies war prägend für Högers Schaffen." (Höger, in: Hamburger Nachrichten vom 22.3.1930, vgl. dazu Rudolf Stegers, Wirken und sticken und träumen, in: archithese 23, 1993, H. 3, S. 90f)

Seit 1923 gehörte Höger zum Vorstand des Deutschen Werkbundes. Im Jahr 1924 schließlich wurde sein berühmtestes Bauwerk, das Chilehaus in Hamburg, fertiggestellt. Durch die  überragende Aufnahme und auch internationale Beachtung dieses Werks erhielt Höger einen Auftrag nach dem anderen. In Berlin entstand als erste große Arbeit (1926/27) die Parfümeriefabrik Scherk, Kelchstr. 31 in Steglitz zwischen der Dresdener und Anhalter Bahn. (Heute zwischen den S-Bahnstationen Attilastr. bzw. Südende gelegen und als Institut für pharmazeutische Technologie der FU Berlin genutzt).

Später dann (1928/29) ein Wohnhaus für die Angestellten des Zoologischen Gartens. Bereits 1927 beteiligte sich Höger an einer Sonderausstellung religiöser Kunst bei einer "Berliner Juryfreien Kunstschau" und erregte mit seinem Entwurf einer "Himmelfahrtskapelle" Interesse. Vielleicht stammt aus jener Zeit eine Bekanntschaft mit dem Wilmersdorfer Baustadtrat Grüder. Das kann man zwar nicht nachweisen, wäre aber eine Möglichkeit, die erklären könnte, wie Höger an den Auftrag zum Bau der Kirche Am Hohenzollernplatz kam.
Im April und Mai 1926 organisierte Höger die "Erste deutsche Ziegelbau-Ausstellung" in Hamburg mit. Verputzte Gebäude contra Klinkerfassaden, das erhitzte zu jener Zeit die Gemüter und ergab einen erbittert geführten Streit zwischen Architekturtheoretikern und Praktikern.

"Seine Präferenz für den Klinker begründet Höger mit ethischen Argumenten: Ehrlichkeit der Konstruktion, Reinheit des (von Menschenhand gebildeten und "in Feuersglut erhärteten") Materials, seinen "ewigen Bestand" den über Jahrhunderte auch die Leidenschaft der Maurer für ihren Beruf bezeuge. Seine Fähigkeit, "das deutsche Wesen mit seiner Bodenständigkeit am feinsten auszudrücken" verbinden sich für ihn mit diesem "Bauedelstein, in dem man , besser als in jedem anderen Material, wirken und sticken und träumen kann." (Buccarelli S. 6 )

Chilehaus in hamburg, Foto von 1954

Nun ist es sinnvoll, den Baumeister Höger selbst zu Wort kommen zu lassen. Seine Äußerungen zum Chilehaus, von denen aus er auch Parallelen zur Kirche Am Hohenzollernplatz zieht, geben einen Einblick in seine Überlegungen. "So könnte ich zu jedem Einzelding noch vieles mehr erzählen, zu jedem der Millionen Bockhörner Klinker, die ich alle so sehr liebe, dass ich, wie ich hörte, die schönsten unter ihnen unbewusst gestreichelt haben soll. …diesen Klinker liebe ich mir in der rußigen Großstadt….Hier mag er seine Tausendjährigkeit glänzen lassen, hier mag er schillern und reflektieren. Wie herrlich steht ein solcher Klinkerriese im Nebel und Dunst da! Wie fröhlich stimmt er, wenn ihn die Sonne streichelt! Zum Lebewesen wird da ein solches Bauwerk, weil jeder einzelne der Millionen lebt. … Man sehe es bei verschiedener Wetterstimmung. Man sehe es bei Tag und bei Nacht – bei Sonnen- und bei Mondenschein, aber immer in Bewegung, dann wird man empfinden, dass der Bau lebt, dass er ein  Wesen hat, bald wird er dem Beschauer freundlich einladend entgegenkommen, bald ihn abwehren, bald vor ihm/fortfliehen, da wirken dann freilich Material und Form und handwerkliches Leben zusammen. … nur durch ihre natürliche Knupprigkeit, so wie sie durch höchste Feuersglut wurden, waren sie mir lieb, nur ihnen verdanke ich einen Großteil der Wirkung des Riesenbaus, durch sie erhielt der Bau seine Beschwingtheit und nahm dem Riesen die Erdenschwere. Freilich als Fachmann muß man um die Geheimnisse des Klinkerrohbaus wissen, um die technischen nicht weniger als um die künstlerischen. … Gerade der beste Stein erfordert beste und fachgerechte Ausführung der Arbeit des Maurers, auch richtiges Mauermörtelmaterial, richtiges Abwaschen ohne  Verwendung von Salzsäure, richtiges, fachgerechtes Verfugen im richtigen Material und in richtiger Farbe, das Fugen gar auch im richtigen Profil der Fugen. An jedem meiner Bauten habe ich diese Dinge meinen Maurern…beispielgebend handwerklich gezeigt und erklärt ….  Den glasig gesinterten, oft reflektierend glänzenden Klinker (besonders an seiner Kopfseite), wodurch sich ein schönes Mosaik erzielen lässt, den ich in der Großstadt so sehr liebe …. (Höger, Chilehaus 87f)

"Zu der gewaltigen körperlichen Dynamik und zu der Wucht der Großkonstruktion, die zusammen wohl die Kühnheit des Werkes ausdrücken mögen, gesellt sich noch ein ganz anderes, was wohl als Verinnerlichung in seiner stillen Weise anmuten möchte, als Hergabe letzter Liebe, des letzten Tropfens Herzblutes – das ist alles, was sich hier dartut, das handwerkliche, plastische, ornamentale Klinkermauerwerk in seinen schier millionenfältig wiederkehrenden zierlichen Einheiten. Durch diesen ganz feinen Maßstab und das vielfältige Spiel von Licht und Schatten, Halbschatten und Reflexen, immer wiederum unfassbar, durch die Vielheiten von Feinheiten, das ist es, was dem Bau seinen inneren feinen Maßstab gibt. Der aber nicht nur in nächster Nähe zu wirken beginnt, sondern schon in einigen hundert Metern Entfernung. Durch diesen feinen Maßstab gewinnt der Riesenbau nochmals gewaltige Steigerung seiner Größe. Diese Größe ist dann aber eigentlich keine messbare, keine Raumgröße mehr, sondern ist Übergang zu der ganz anderen Größe, die so manch anderen Werken fehlt. In dieser Spanne zwischen der Großwirkung (man könnte auch sagen: der Fernwirkung) des Werkes und der innigen Liebe, die aus den Poren des Gemäuers raunt, ist begründet allergrößte Monumentalität." (ebd. 90)

"… so daß der Beschauer, der solch gediegene Ausführung wohl noch nie gesehen hat, annehmen muß, dass dieser plastische Schmuck nachträglich unter diesen starken Eisenbetonuntersichten angebracht, versteckt aufgehängt und verankert oder darunter "geklebt" worden sei. Dem ist aber ganz anders – fast umgekehrt. Hier wurde verfahren, genauso, als wenn der Glockengießer sich anschickt, eine Glocke zu gießen, genau wie da, wurde auch hier die plastische Unterschicht … in Negativformen gegossen … Nach Erhärtung der Betonmasse wurden dann die Negativformen entfernt. Am schmückenden Ornament wurde nichts mehr weiter unternommen, als mit dem Zahneisen die unschöne Zementschicht entfernt. Genauso, wie ich es später auch an den dreizehn Stück der 19 m hohen Eisenbeton-Dreigelenkbindern der Kirche in Berlin habe durchführen lassen. Hierbei zeigt sich dann in der fertigen Betonarbeit ein sehr schönes Spiel von Farbe und Struktur des Betons, der nacheinander bei verschiedenem Wetter, verschiedener Temperatur zwischen den einzelnen Arbeitspausen gegossen bzw. geschüttet wurde – ein schönes, natürliches Spiel, das scheinbar gar nicht beabsichtigt war, sich aber durch die handwerkliche Ausführung ergibt. Eine Wirkung, die das Gegenteil ist von mechanistischer, stumpfsinnig maschineller Massenausführung." (ebd. 91)

"Bei meinem Bau überschneidet sich alles, und alles ist Einheit, so ist Technisch-Konstruktives gleichzeitig architektonischer Ausdruck, es ist das eine nicht vom anderen zu trennen."

"Der künstlerische Teil ist ja eigentlich gar kein Teil nur, sondern ist das Ganze und ich nenne den künstlerischen Teil auch nicht gern Architektur, denn Architektur klingt mir gar zu sehr nach "vorn fix, und hinten nix". Wir Baumeister, sofern wir überhaupt "Baukünstler" sind, sollten doch ein für allemal unser Werk dreidimensional (körperlich) sehen, das ist es ja gerade, was uns vom Maler (dem Zweidimensionalen) unterscheidet.  … Für uns Architekten (lieber sprich – Bau-Meister) ist doch der erste Ausdruckswert bis hin zu Licht- und Reflexwert, über Klinker hin zum Glas. … Denn die Lichtseite des Baukörpers verhält sich da ganz anders als die dem Wetter abgekehrte Front." (ebd. 93)

Auf das Äußere seiner Bauten legt er besonderes Gewicht, mit den Klinkern kann er filigran arbeiten. So bewegt sich seine Architektur in der Formensprache zwischen Expressionismus und "Neuer Sachlichkeit". (s. dazu Boyken, Fritz Högers Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin) Höger selbst hat allerdings vehement gegen die neue Sachlichkeit polemisiert: "Sachlichkeit war doch zu allen Zeiten, wo ein Volk eine Kultur und einen Stil hatte, doch selbstverständlich Voraussetzung, – so war das alle Zeit bis zum heut und so wird es auch bleiben in Ewigkeit. Es gibt keine ‘Neue Sachlichkeit’, sondern nur eine uralte." (Höger, Kunst und Volkstum, 1933, 55)

Höger geriet mit seinen theoretischen Ansichten in große Nähe zum Nationalsozialismus geriet. Im Juli 1932 war er in die NSDAP und in den "Kampfbund deutscher Architekten und Ingenieure" eingetreten. "Am 13. Mai 1933 wird Höger zum Vorsitzenden des Wirtschaftsverbandes Deutscher Architekten (WVDA) ernannt, Bollwerk nationalsozialistischer Theorien,…" (Buccarelli, 45) 1934 schlägt er vor, "alles Fremde und nicht Deutschblütige" zu verbannen, die "schlimmen Gebilde der Weißenhofsiedlung zu Stuttgart, das schlimme Bauhaus zu Dessau und all die übrigen leeren Hirngespinste, die vollkommen ohne Seele" sowie "böse Gebilde des Bolschewismus" darstellen. (Höger, Moderne deutsche Baukunst, in: Der Deutsche Architekt", April 1934, S.6.8)

Im Jahr 1933, da man Adolf Hitler die Macht im Deutschen Reich gewissermaßen andiente, hoffte Höger Baumeister des Dritten Reiches zu werden. Jedoch entsprachen seine norddeutsch geprägten Klinkerbauten, die er für besonders "germanisch" hielt, weil sie im Norden Deutschlands die Architekturgeschichte prägten, nicht den Vorstellungen der Machthaber. Die feingliedrigen, gemauerten Gebäudefassaden widersprachen der klassizistisch-dorischen Monumentalarchitektur, auf die sich Hitler festgelegt hat. Josef Goebbels soll sogar Högers Architektur als "sowjetisch" gebrandmarkt haben!. (Buccarelli, 11, ohne Nachweis des Zitats)

Bucciarelli allerdings meint: "Trotz der unterschiedlichen Sprache lassen sich zwischen der expressionistischen und der nationalsozialistischen Architektur verwandt Züge finden: beide lehnen die Programme der "Neuen Sachlichkeit" ab und haben das Bestreben eher expressive als funktionale Inhalte darzustellen." (ebd. 34) Jedenfalls aus der Hoffnung auf eine überhöhte Karriere in jener Zeit wurde für Höger nichts. Er baute zwar noch vieles, aber eher Ergänzungen zu schon bestehenden Bauten und im privaten Bereich, wobei sein Büro aber gut ausgelastet war.

Grabstein Fritz Höger, Kiebitzreihe

Am Sonntag Oculi ("Meine Augen sehen stets auf den Herrn" Psalm 25,15), 19. März 1933 wird sein "Dom", die Kirche Am Hohenzollernplatz, in den Dienst genommen. Als Namen konnte sich Höger vorstellen: "Offenbarungskirche oder Dom der Erlösung oder Auferstehungskirche, so sollte man diese meine Kirche taufen. … Ich könnte mir auch denken Dom des deutschen Frühlings." (Deutsche Bauzeitung 1933, S. 289) Bei diesem Kirchbau hat er nach eigenen Aussagen dahingehend gewirkt, "dass auch bei moderner Konstruktion in allersachlichster nackter Anwendung in gesteigertem Maße sakrale Wirkung und gigantische Raumwirkung sich ergibt. Ich habe hier ohne Zutaten und Extravaganzen nur einen schlichten, feierlichen Raum gestalten und konstruieren wollen… Ich habe also bei den Spitzbogenformen gar nicht gotisieren wollen – im Gegenteil. Gotischen Geistes freilich sollte mein Bau sein, wie alle meine Bauten dieses innere Gepräge tragen." (Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin-Wilmersdorf, 3f) Dazu ist erhellend eine Notiz im Protokollbuch des Gemeindekirchenrats, aus der klar wird, dass die Spitzbogen keine Ursprungsidee Högers sind. In ersten Entwürfen hatte er nämlich Rundbögen vorgesehen. Die aber erinnerten den GKR zu sehr an Industrie-architektur, so meldete er hier ernste Einsprüche an, da dieser Entwurf "nach unserem  Empfinden den sakralen Charakter eines gottesdienstlichen Raumes vermissen" läßt. (GKR-Protokoll vom 4. Juni 1929) Ihm ging es sehr um den sakralen Charakter seines Baus, die Kraft und Sammlung auch insbesondere im Inneren. "Wehe dem Baumeister, der beim Bau eines Gotteshauses, der höchsten Aufgabe, nicht in leidenschaftliche Begeisterung gerät, er sollte lieber nicht mehr "Baumeister" sein!" (Höger 1928/29; bei Jahn, S. 62)

Zusammenfassend kann man sich wohl dem Urteil Bucciarellis anschließen: "Höger will durchaus modern sein. Dennoch scheint er sich darum zu bemühen, eine Art Mittlerrolle zwischen den Ausdrucksfähigkeiten der modernen Architektursyntax und denen der traditionellen Materialien zu spielen. Rebellisch und gleichzeitig konservativ, Zeuge einer Epoche, die absolut zukunftsorientiert, aus vielerlei Gründen jedoch noch der Vergangenheit zugewandt bleibt, lehnt er die tröstliche Anmut des Jugendstils ab, obwohl er auch hier einige Anregungen übernimmt. In den Werken dieses individualistischen, romantischen, auf seine nordische und bäuerliche Herkunft stolzen Mannes, der sich stets auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch bewegt, wird das halbernste Schauspiel der bürgerlichen Moderne in Szene gesetzt." (Bucciarelli, 55)

Höger starb im Alter von 72 Jahren am 21. Juni 1949 in Bad Segeberg.

« Zurück zu Wettbewerb · Weiter zu Bau »